18.02.2025 – Bei der Steuerung von Kundenanlagen gemäß §14a EnWG müssen komplexe Prozesse auf beiden Seiten des Kundenanschlusses ineinandergreifen. Hager hat passende Komponenten entwickelt und unterstützt Netzbetreiber bei der Umsetzung.
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Dezentrale Erzeuger und neue elektrische Verbraucher wie Wallboxen oder Wärmepumpen sind auf dem Weg zur Klimaneutralität unverzichtbar. Für die Bestandsnetze in der Niederspannung können sie jedoch zur Herausforderung werden. Um kritische Netzzustände abzuwenden, haben Verteilnetzbetreiber daher seit 2024 gemäß §14a EnWG das Recht, den Leistungsbezug solcher steuerbaren Verbrauchseinrichtungen (steuVE) kurzzeitig zu dimmen. Die Besitzer:innen sind verpflichtet, eine Steuerung zu ermöglichen, profitieren aber im Gegenzug von reduzierten Netzentgelten.
Steuern über das CLS
Die Steuerbefehle – so die Vorgaben der Bundesnetzagentur – werden über das intelligente Messsystem an ein Controllable Local System (CLS) und von dort an die zu regelnden Anlagen übergeben, die daraufhin ihren Leistungsbezug entsprechend den Vorgaben des Netzbetreibers drosseln. Technisch kann das durch eine direkte Ansteuerung der Anlage(n) oder über eine digitale Schnittstelle und ein entsprechendes Protokoll wie zum Beispiel EEBUS erfolgen.
Noch können Anschlussnehmer und Netzbetreiber den Steuermodus wählen, ab 2029 ist die Steuerung über die digitale Schnittstelle verpflichtend. Axel Hoffmann, Marktmanager Wohnbau bei Hager: „Wir bieten natürlich auch die notwendigen Komponenten – Schütze, Trennklemmen und Wechsler – für die analoge Anlagensteuerung an und schulen das Fachhandwerk für die Installation in unterschiedlichen Einbausituationen. Aber wir spüren ganz deutlich, dass bei den Netzbetreibern der Fokus ganz klar auf der digitalen Steuerung liegt.“
Digitale Steuerung über Energiemanagement
In diesem Fall wird im Zählerschrank hinter der Steuerbox ein Energie- oder Lastmanagementsystem (EMS/LMS) eingebaut und per Datenleitung angebunden. Viele Netzbetreiber schreiben als Übergang zwischen Steuerbox und EMS eine Patchbuchse zwischen den Leitungen vor, die auch von Hager empfohlen wird. Das EMS/LMS interpretiert die übermittelten Soll-Werte und leitet Steuerbefehle ab. „Wenn zusätzlich eine PV-Anlage oder ein Speicher installiert ist, bietet ein Energiemanagementsystem auf jeden Fall Vorteile: Es optimiert den Betrieb von Wallbox oder Wärmepumpe – auch im Fall eines steuernden Eingriffs“, ergänzt Axel Hoffmann. „In unserem System haben wird das so gelöst, dass es den Steuerbefehl erst dann weitergibt, wenn nicht ausreichend Leistung lokal zur Verfügung gestellt werden kann.“
Die Interoperabilität aller Komponenten und Systeme ist Voraussetzung für eine zuverlässige Steuerung über die digitale Schnittstelle und EMS. (Foto: Hager Vertriebsgesellschaft mbH & Co. KG)
Vom Konzept in die Praxis
Nicht nur für die Nutzer:innen sollten die Vorgänge rund um §14a und die digitale Anlagensteuerung so einfach und komfortabel funktionieren wie möglich. „Der Netzbetreiber wiederum muss sich darauf verlassen können, dass der steuernde Eingriff hinter dem Netzanschlusspunkt punktgenau und nach den geltenden Vorgaben umgesetzt wird“, so Hoffmann. In der Theorie sind die Prozesse und Standards klar definiert. Zahlreiche Anbieter von Energie- oder Lastmanagementsystemen stehen in den Startlöchern und gerade bei den unabhängigen Energiedienstleistern erhalten Kund:innen zur PV-, Speicher-, Wärme- oder Lade-Lösung in der Regel auch ein EMS .
Die bisherigen Erfahrungen aus dem Smart Metering zeigen allerdings, dass umfangreiche technische Richtlinien und Fachvorgaben keineswegs ein Garant für Interoperabilität und den massentauglichen Einsatz sind. „Hier muss noch viel getestet, erprobt und sicher auch angepasst werden“, weiß der Marktmanager aus der Praxis – und ist überzeugt, dass die Fachverbände oder die Netzbetreiber über kurz oder lang Vorgaben bezüglich zulässiger Systeme machen werden.
Hier sieht sich Hager in der Pflicht: „Als technologieführendes Unternehmen haben wir natürlich den Anspruch, dass die Anlagensteuerung nach §14a mit unseren Lösungen absolut zuverlässig funktioniert – mit jedem Smart Meter Gateway, jeder Steuerbox, jeder Kundenanlage und jedem aEMT-System“, führt Axel Hoffmann aus. In der Entwicklungsabteilung von Hager wird daher in enger Kooperation mit anderen Markteilnehmern an durchgängiger Interoperabilität der Systeme gearbeitet. Einen besonders hohen Stellenwert nehmen darüber hinaus Praxistests mit Versorgern, Messstellen- und Netzbetreibern ein, bei denen die Prozesse und Wirkketten unter realen Bedingungen erprobt werden. „Mit dem Inkrafttreten von §14a ist die Grenze zwischen den Vorgängen diesseits und jenseits des Netzanschlusspunktes endgültig gefallen“, resümiert Hoffmann. „Da kommen wir nur gemeinsam zum Ziel.“
Praxistest in Saarbrücken
Komponenten für die digitale Anlagensteuerung im Zählerschrank. (Foto: Hager Vertriebsgesellschaft mbH & Co. KG)
Mit diesem Ziel startete schon im Oktober 2023 mit den Stadtwerken Saarbrücken und deren Metering-Partner co.met ein Praxistest. Nach erfolgreichen Labortests wurde zunächst in einem einmaligen Feldtest in einem Neubaugebiet erprobt, wie E-Autos und Wärmepumpen über eine digitale Schnittstelle und das Hager Energiemanagementsystem nach den Vorgaben von §14a EnWG zuverlässig gesteuert werden können. Vorstand Frank Ackermann erläuterte beim Kick-off des Projekts die Motivation der Stadtwerke Saarbrücken: „Wir brauchen eine intelligente Technik, um bei Bedarf steuernd eingreifen zu können, ohne dass der Komfort des Stromkunden eingeschränkt wird und er im besten Fall von der temporären Leistungsreduktion gar nichts mitbekommt.“ Die erste Projektphase wurde erfolgreich abgeschlossen – die Wirkkette funktionierte reibungslos.
Nun geht das Projekt bei ausgewählten Pilotkund:innen in die zweite Phase. Die technische Infrastruktur und die umgesetzten Prozesse bilden dabei die Vorgaben der Bundesnetzagentur exakt ab. So werden die zur Engpassermittlung benötigten Netzzustandsdaten bei genau sieben Prozent der Anschlussnehmer über das intelligente Messsystem erhoben und um Messwerte aus den Abgängen der Ortsnetzstation ergänzt. „Um die Steuerung zu testen, werden die Stadtwerke Saarbrücken von Zeit zu Zeit auch Engpässe simulieren“, ergänzt Axel Hoffmann.
Herausforderung Mehrfamilienhaus
In der aktuellen Projektphase fokussieren sich die Einsatztests auf typische Prosumerhaushalte – Einfamilienhäuser, die neben Wallbox und/oder Wärmepumpe eine eigene PV-Anlage, häufig mit Speicher, nutzen. Hier erwarten Netzbetreiber die ersten Anwendungsfälle für § 14a EnWG. Deutlich anspruchsvoller werden die Prozesse, wenn größere Wohngebäude mit Ladepunkten, steuerbaren Heiz- und Klimaanlagen und PV ausgerüstet werden. Hier können schnell kritische Lasten oder Einspeisespitzen erreicht werden – und Netzverstärkungsmaßnahmen sind gerade bei innerstädtischen Mehrfamilienhäusern schwer realisierbar. Bei Hager arbeitet man bereits daran, die Anlagensteuerung auch unter solch anspruchsvollen Bedingungen umzusetzen. (pq)