04.07.2024 – Mit dem Energiepark Witznitz werden zwei Meilensteine erreicht: Er ist das erste Solarkraftwerk, das direkt auf der Höchstspannungsebene einspeist und rund um die Uhr zur Netzstabilität beiträgt.
Gleichzeitig handelt es sich bei der PV-Anlage südlich von Leipzig um die heute größte Photovoltaik-Freiflächenanlage Europas. Sie hat eine Leistung von 650 MWp und ist an das Übertragungsnetz von 50Hertz angeschlossen. Auf der Basis eines Vertrages mit dem Projektentwickler Move On Energy liefern die mit einer zusätzlichen Software ausgestatteten 3.500 Wechselrichter des PV-Parks sogenannte Blindleistung, die die Systemführung von 50Hertz bei Bedarf zur Spannungshaltung abrufen kann.
Blindleistung für das Übertragungsnetz
Blindleistung fungiert ergänzend zur eigentlichen Wirkleistung als eine Art „Schmiermittel“ für den Transport und muss in Abhängigkeit von regionalen Einspeise- und Entnahmesituationen auf einzelnen Netzabschnitten regulierend eingesetzt werden. Zu viel oder zu wenig Blindleistung wirkt sich destabilisierend auf die genormte Spannung aus. Bisher liefern die Generatoren von Großkraftwerken Blindleistung während der Stromerzeugung mit, sie kann aber auch von den Systemführungen der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) angefordert werden.
Der Energiepark Witznitz wird zukünftig Blindleistung in einer Größenordnung von 150 Mvar bereitstellen und damit teilweise die Lieferung von Blindleistung aus dem benachbarten Braunkohlekraftwerk Lippendorf (2 x 400 Mvar) ersetzen. Diese Abrufe sind auch dann möglich, wenn die Wechselrichter der PV-Anlage keinen Gleich- in Wechselstrom wandeln und einspeisen. Stattdessen wird die in den Wechselrichtern verbaute Leistungselektronik mit Strom aus dem Übertragungsnetz gespeist, um die Blindleistung zu erzeugen. Der Energiepark Witznitz ist daher ein wichtiges Pilotvorhaben für 50Hertz, von dem weitere Projekte profitieren können. Ab 2026 müssen die ÜNB aufgrund einer EU-Richtlinie zum Elektrizitätsbinnenmarkt Blindleistung über ein Ausschreibungsverfahren am Markt beschaffen. Über ein entsprechendes Beschaffungskonzept der Bundesnetzagentur (BNetzA) hat die 6. Beschlusskammer Ende Juni final entschieden.
Stefan Kapferer, Vorsitzender der Geschäftsführung von 50Hertz: „Die Erneuerbaren Energien haben in den ersten Monaten dieses Jahres rund 75 Prozent des Strombedarfs im Osten Deutschlands und Hamburg gedeckt. Der Energiepark Witznitz hat dazu bereits beigetragen und zeigt, dass der Ausbau der Photovoltaik jetzt ganz neue Größenordnungen erreicht. 50Hertz ist Vorreiter bei der Systemintegration von Erneuerbaren Energien. Mit dem Abruf von Blindleistung und der Einbeziehung des PV-Parks in unser Engpassmanagement leisten wir erneut Pionierarbeit, so viel Strom aus Erneuerbaren Energien wie netztechnisch möglich nutzbar zu machen.“
Der Energiepark Witznitz wurde in den vergangenen zwei Jahren auf einem früheren Braunkohletagebaugebiet auf insgesamt rund 500 Hektar Fläche in den Gemeinden Neukieritzsch, Böhlen und Rötha am Hainer See errichtet. Am Rande der Fläche führt eine 380 kV-Freileitung entlang, die über das Umspannwerk Pulgar zum Braunkohlekraftwerk Lippendorf führt. An diese Freileitung wurde die PV-Anlage über ein von Move On Energy errichtetes neues Umspannwerk netztechnisch angebunden. Da der Energiepark in mehreren Bauabschnitten realisiert wurde, wird bereits seit Dezember vorigen Jahres Strom eingespeist. Die volle Leistung steht jedoch erst seit wenigen Wochen zur Verfügung. (pq)