24.07.2024 – Mit der Erfassung von Echtzeitdaten geht die T.W.O. Technische Werke Osning GmbH (TWO) einen großen Schritt in Richtung Transparenz für die Niederspannung. 25 von 126 Ortsnetzstationen wurden mit SMIGHT Grid2 ausgestattet.
Simpler Einbau von SMIGHT-Sensorik und -Gateway und schon fließen die Daten. (Foto: SMIGHT GmbH)
Die TWO, ein kleines Stadtwerk in Halle Westfalen mit insgesamt 52 Mitarbeitern, davon sieben im Netzbereich Strom, sieht sich mit einer neuen Realität konfrontiert. „Die Energiewende ist in vollem Gange, und wir erleben einen enormen Zuwachs an Ladeinfrastruktur und Photovoltaikanlagen. Daher müssen wir damit rechnen, dass die statische Betrachtung des Niederspannungsnetzes zukünftig nicht mehr ausreicht, um den Anforderungen der Energiewende gerecht zu werden“, erklärt Stefan Vogt, Fachbereichsleiter Strom bei TWO. Er ist mit seinem sechsköpfigen Team für den Netzbetrieb, die Netzplanung und den Netzbau zuständig. Viel Zeit für aufwändige Netzanalysen und -betrachtungen bleibt da nicht.
Erfahrungswerte, die statische Netzberechnung und ein gesundes Bauchgefühl sind jedenfalls für Stefan Vogt keine Option mehr, wenn es darum geht, den Zustand seines Niederspannungsnetzes zu erfassen und zu bewerten: „Wir möchten keine kleinen PV-Anlagen für Einfamilienhäuser ablehnen, nur weil uns konkrete Daten aus dem Netz fehlen. Das ist für die TWO keine Option und aus diesem Grund muss unser Netz transparenter werden“, führt er aus. Wie verhält sich das Niederspannungsnetz bei zunehmender Rückspeisung? Welche Auswirkungen haben die neuen und steigenden Lasten, wie Wärmepumpen und E-Ladepunkte? Reichen die Kapazitäten aus? Um diese Fragen zu beantworten, bedarf es neben den Netzberechnungsdaten auch Live-Daten aus dem Netz.
SMIGHT Grid2
TWO setzt daher seit Mai 2023 auf die Nachrüstlösung SMIGHT Grid2, die eine schnelle und einfach zu installierende Hardware sowie eine webbasierte Software zur Aufbereitung und Visualisierung der Daten bietet. Das Vorgehen ist simpel: Zuerst legt Stefan Vogt die Station und Abgänge in der Software an. Dann können die fünf Monteure im laufenden Betrieb die Klappwandler mit Sensorik und das Gateway in der Ortsnetzstation anbringen, den QR-Code abscannen und der Station zuweisen. Wenige Minuten später fließen die Daten.
Den besonderen Mehrwert der Gesamtlösung SMIGHT Grid2 sieht Stefan Vogt in der Aufbereitung der Daten. Ein Blick in das SMIGHT IQ Cockpit genügt, um sich einen ersten Überblick zu verschaffen. In der Kartenansicht zeigen Ampelfarben an, welche Station buchstäblich im grünen oder roten Bereich ist. Zusätzlich ist es möglich, definierte Zeiträume auszuwählen und die Daten minutengenau auszugeben und zu analysieren.
Außerdem erhalten Stefan Vogt und sein Team zweimal jährlich von einem Datenspezialisten und einem Kundenbetreuer der SMIGHT GmbH zusätzliche Auswertungen und Analysen der vergangenen sechs Monate und diskutieren gemeinsam über mögliche Entwicklungen und Risiken im Netz. Stefan Vogt: „Der große Vorteil von SMIGHT Grid2 ist, dass alles funktioniert – und zwar ohne Entwicklungsarbeit. Ich bekomme alle Informationen, die ich für meine tägliche Arbeit benötige, das Produkt wird kontinuierlich weiterentwickelt und wir haben zusätzlich die Option, weitere Unterstützung durch Datenspezialisten zu erhalten. Das hat uns schließlich von SMIGHT überzeugt.“
Überlast und Rückspeisungen werden dank SMIGHT Grid2 im Niederspannungsnetz der TWO sichtbar. (Foto: SMIGHT GmbH)
Grundlagen für die Planung
Bei der Auswahl der Anlagen achteten Stefan Vogt und sein Team darauf, verschiedene Netzgebiete mit Messtechnik auszurüsten, bei denen eine hohe Auslastung erwartet wird. Zum Beispiel wurden zwei Stationen im ländlichen Gebiet ausgewählt, bei denen im Sommer mit einer größeren Rückeinspeisung durch PV-Anlagen über die Niederspannung gerechnet werden kann. Im städtischen Bereich untersucht TWO anhand ausgewählter Stationen die Entwicklung der E-Mobilität sowie die Einspeisung durch PV-Anlagen, die nachträglich auf Einfamilienhäusern installiert werden. Im Industriebereich erfasst SMIGHT Grid2 schließlich Messdaten aus Stationen, die nicht das typische Haushaltsverbrauchsprofil (H0-Profil) aufweisen. Die angeschlossenen Industriekunden starten üblicherweise gegen 7 Uhr ihren Betrieb und weisen eine relativ hohe Grundlast auf.
Rückspeisungen
Die Auswahl war gut getroffen: „In den wenigen Monaten, die wir SMIGHT Grid2 bisher im Einsatz haben, konnten wir bereits einige Niederspannungsstrecken lokalisieren, bei denen zum Teil Überlasten auftreten und Rückspeisungen sichtbar werden“, fasst Stefan Vogt zusammen.
Bereits während der achtwöchigen Pilotphase stellten Stefan Vogt und sein Team fest, dass in Baugebieten, in denen der Einbau von PV-Anlagen gesetzlich gefordert wird, die ursprünglichen Planungsannahmen nicht mehr ausreichend sind. Stefan Vogt: „Die Richtung des Stromflusses mag für die Kabel zunächst irrelevant sein. Aber bei Trafostationen stellt sich die Frage: Reicht diese noch aus oder müssen wir erneuern oder eine weitere Station aufstellen? Vielleicht genügt auch ein größerer Kabeldurchschnitt. All diese Überlegungen können wir nun mit Hilfe von Echtzeitdaten validieren.“
Lastspitzen
Regelmäßig wiederkehrende Lastspitzen in einem Industriegebiet lassen sich nun besser beobachten und
untersuchen. (Foto: SMIGHT GmbH)
Engpässe sind zwar noch eine absolute Ausnahme, doch sie kommen vor. Zum Beispiel in einem Haller Industriegebiet.
Hier hatten Stefan Vogt und sein Team bereits vorab, durch die verbaute RLM- Messung bei Großkunden, den Verdacht eines Engpasses. Doch erst die minutengenauen, phasenscharfen Messdaten von SMIGHT Grid2 brachten das wahre Ausmaß der Belastung ans Licht. Auffallend waren hier regelmäßig wiederkehrende Lastspitzen, die die TWO-Mitarbeitenden nun genauer beobachten können, um auch mit dem betroffenen Kunden gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten.
Sollte der Kunde langfristig seine Produktion ausweiten wollen, wäre ein Wechsel in die Mittelspannung unumgänglich. Mit dem Bau einer eigenen Trafostation würde die von ihm genutzte Leistung nicht mehr das Niederspannungsnetz belasten.
E-Mobilität
Im Innenstadtbereich hat die TWO bereits eingelenkt, Netzabschnitte aufgetrennt und eine zusätzliche Trafostation in Betrieb genommen. Ausschlaggebend für das Einleiten dieser Maßnahme war der geplante Ausbau von Ladeinfrastruktur sowie die Tatsache, dass die Anfragen für E-Ladesäulen und PV-Anlagen im dahinter liegenden Wohngebiet stark zunahmen.
Gut gerüstet
Stefan Vogt blickt optimistisch in die Zukunft: „Früher waren die Netze überdimensioniert, jetzt kommen sie an einigen Stellen und zeitweise in Bereiche von 80 Prozent Auslastung. Aber genau deshalb haben wir SMIGHT Grid2 im Einsatz: Damit wir beobachten und gezielt agieren können, bevor es zu einem Kollaps des Netzes kommt.“
Für die Zukunft wünscht sich Stefan Vogt, dass die SMIGHT-Daten auch in die Netzberechnung mit einfließen: „Ich glaube, dass die statischen Annahmen in der Netzberechnung oft stark von der Realität abweichen. Denn jedes Netz und jeder Netzabschnitt hat seine Eigenheiten. Deshalb bin ich sehr daran interessiert, die Messergebnisse in die Netzberechnung miteinzubeziehen und die berechneten Ergebnisse mit den auf Echtdaten basierten Ergebnissen zu vergleichen.“ Das lässt sich realisieren: SMIGHT hat bereits einige solcher Integrationsprojekte durchgeführt. (pq)