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Netzdienlich steuern im Haus

03.01.2024 – Schlägt der Verteilnetzbetreiber Alarm, muss die Leistung von Wallbox und Co. gedrosselt  werden. Ein intelligenter Energiemanager im Gebäude soll die nötige Steuerung ohne spürbare Einschränkungen für den Kunden realisieren.

Droht durch Elektroautos ein Super-Blackout? Darf man uns ungefragt willkürlich den Strom drosseln? Klare Antwort: Nein. Die Angst vor einem Blackout ist unbegründet. Da aber der Netzausbau kaum mit dem Wachstum auf dem Markt der Elektromobilität Schritt halten dürfte, bedarf es einer intelligenten Steuerung der Netzlast, um lokale Engpässe in Ortsnetzen zu verhindern und einen sicheren Netzbetrieb aufrecht zu erhalten.

Im Saarbrücker Neubaugebiet Franzbrunnen gehen die Projektpartner demnächst in die Praxis. Foto: Gesellschaft für Innovation und Unternehmensförderung mbH

„Das lokale Verteilnetz von heute ist auf eine statistisch verteilte Stromentnahme von Kunden ausgelegt und nicht auf ein preisinduziertes Schwarm-Verhalten“, erklärte Frank Ackermann, Vorstand der Stadtwerke Saarbrücken, kürzlich im Rahmen eines Projekt-Kick-Offs in der Landeshauptstadt. Die Niederspannungsnetze seien nicht auf die Lastspitzen ausgelegt, die bei gleichzeitigem Strombezug auftreten können. Zwar wurden die Netze traditionell vorsorglich überdimensioniert, aber mit bereits mehr als zwei Millionen Erzeugungsanlagen und einer steigenden Zahl neuer Verbraucher wird der Ruf nach mehr Kupfer und vor allem nach mehr Intelligenz im Netz immer lauter. Die Zeiten, in denen auf den unteren Netzebenen auf Mess- und Steuerungstechnik verzichtet werden konnte, sind vorbei.

Auf lange Sicht brauchen die Nieder- und Mittelspannungsnetze unumstritten umfassende Automatisierungsfunktionen, um sie in ihrer Komplexität beherrschbar und stabil zu machen. Dennoch gibt es in Deutschland derzeit nur wenige Automatisierungslösungen in den unteren Verteilebenen, die über einen Pilotcharakter hinausgehen.

Feierlicher Projektstart in Saarbrücken: Franz-Josef Johann (Stadtwerke Saarbrücken), Frank Ackermann (Stadtwerke Saarbrücken Netz), Oberbürgermeister Uwe Conradt, Jeanne Forget, Johannes Hauck, Dr. Torsten Hager von der Hager Group sowie Peter Backes von co.met (v.l.n.r.). Foto: Barbara Schulz / sig Media

Unbemerkt regeln

Erfreulich also, dass es in Saarbrücken nun „Butter bei die Fische“ heißt: In einem Neubaugebiet wird nach erfolgreichen Labortests demnächst in einem gemeinsamen Projekt der Stadtwerke und ihren Technologiepartnern Hager Group und co.met unter realen Bedingungen erprobt, wie auch bei drohenden Engpässen E-Autos und Wärmepumpen betrieben werden können und das Netz gleichzeitig stabil gehalten wird. „Wir brauchen eine intelligente Technik, um bei Bedarf steuernd eingreifen zu können, ohne dass der Komfort des Stromkunden eingeschränkt wird und er im besten Fall von der temporären Leistungsreduktion gar nichts mitbekommt“, sagt Dr. Torsten Hager, Business Development Director Hager Group.

Mit diesem Ziel gehen die Projektpartner im Neubaugebiet Franzbrunnen in die Praxis – und das ist gut so, denn sie werden zusammen mit den anderen 864 Verteilnetzbetreibern in Deutschland von der Bundesnetzagentur mit der Neuregelung des Paragraphen 14a EnWG in die Pflicht genommen, Konzepte zur technischen Umsetzung des Gesetzentwurfes vorzulegen.

In diesem werden Verteilnetzbetreiber ab Januar 2024 zur Messung und proaktiven Steuerung im Niederspannungsnetz verpflichtet. Droht eine kritische Netzsituation, muss der Steuerbefehl an die Netzanschlusspunkte der Stromabnehmer übermittelt werden. Dort müssen die steuerbaren Verbrauchseinrichtungen dann netzdienlich geregelt werden. An diesem Punkt setzt das gemeinsame Innovationsprojekt der Stadtwerke Saarbrücken und der Hager Group an. Zusammen schaffen die Partner die technischen Voraussetzungen, dass das Steuerungssignal vom Netzanschlusspunkt bei den jeweiligen steuerbaren Verbrauchseinrichtungen im Haus ankommt und verarbeitet wird. Die konkrete Reduktion der Leistung erfolgt dann über ein internes Energiemanagement, welches die Abregelung der Verbraucher koordiniert. Alternativ können diese auch direkt angesteuert und gedrosselt werden.

Letzteres sei jedoch nicht die angestrebte Lösung, meint Axel Hoffmann, Marktmanager bei Hager. „Anstatt das Regelsignal über das Smart Meter Gateway direkt an die Steuerbox weiterzuleiten, setzen wir unseren Energiemanager ein. Dieser empfängt im Haus über das Smart Meter Gateway die Daten, also den maximalen Leistungsbezugswert des gesamten Haushaltes, der durch den Netzbetreiber vorgegeben wird, interpretiert diese und leitet Regelalgorithmen ab.“

„Um einen sicheren Netzbetrieb aufrecht zu erhalten, müssen wir als Verteilnetzbetreiber bei Bedarf steuernd eingreifen können.“ Frank Ackermann, Vorstand der Stadtwerke Saarbrücken. Foto: Barbara Schulz / sig Media

Energiemanager setzt Steuerbefehle netzdienlich um

Der Energiemanager von Hager ist bereits heute im Einsatz und berechnet für Kund:innen den Energiebedarf des Haushaltes, versorgt sie möglichst mit Strom aus der PV-Anlage oder aus dem Stromspeicher und optimiert Ladezeiten für E-Autos, ohne dass es zu einer Überlastung des Hausanschlusses kommt. In Zusammenarbeit mit den Stadtwerken Saarbrücken soll er jetzt über eine Schnittstelle vom Smart Meter Gateway zusätzlich netzdienlich eingesetzt werden. „Wenn die Stadtwerke beispielsweise ein Leistungslimit von 6 KW für einen Haushalt vorgeben, berechnet der Energiemanager, wie die steuerbaren Verbrauchseinrichtungen entsprechend ein- gestellt werden können“, erklärt Hoffmann. So könne das E-Fahr- zeug geladen werden, gleichzeitig dafür die Wärmepumpe aus- geschaltet und Strom aus der PV-Anlage auf dem Dach bezogen werden. „Dabei soll der Bewohner idealerweise nicht wahrnehmen, dass geregelt wurde.“ Um diese Nutzerfreundlichkeit sicherzustellen, ist das Energiemanagementsystem lernfähig, das heißt, es gibt verschiedene Fahrpläne, gewisse Logiken und Algorithmen, die dann entsprechend reagieren. „Unser Energiemanagementsystem kennt das Nutzer- verhalten, kennt die Verbrauchseinrichtungen und schaut dann, wie es diese 6 KW, die das Haus beziehen darf, möglichst intelligent in Steuerbefehle und Regelsignale umsetzt.“

Anschlussnehmer in der Pflicht

Da die Zuständigkeit des Netzbetreibers laut Gesetzgeber am Netzanschlusspunkt endet, ist es als Hauseigentümer wichtig, Experten wie Hager an der Seite zu haben, die die notwendige Technik zusammen mit den Stadtwerken entwickeln und in Betrieb nehmen können. Denn obwohl es den Besitzer:innen von E-Ladestationen und Wärmepumpen zwar freigestellt ist, wie die Steuerbefehle zur Abregelung der Verbraucher technisch umgesetzt werden, so müssen sie laut Bundesnetzagentur doch Sorge dafür tragen, dass der Steuerungsbefehl ihres Stromversorgers in ihren Zählerschränken ankommt und korrekt weiterverarbeitet wird.

„Wir stellen mit unserem Energiemanager sicher, dass die Steuerbefehle vom Netzbetreiber im Haus netzdienlich und nutzerfreundlich umgesetzt werden“, sagt Axel Hoffmann, Marktmanager bei Hager. Foto: Barbara Schulz / sig Media

„Geschieht dies nicht, also werden Steuerbefehle vom Stromabnehmer vermieden, kann das Sanktionen nach sich ziehen“, weiß Hoffmann. Um das zu vermeiden, baut er und sein Team im Rahmen des Projektes die CLS-Schnittstellen des Smart Meter Gateways zum Energiemanager auf. Das intelligente Messsystem misst mit der modernen Messeinrichtung den Stromfluss wahl- weise als Bezugs-, Liefer- oder Zweirichtungszähler, und kommuniziert diese Daten über das Smart Meter Gateway. Über die CLS-Schnittstelle als hochsicheren Kommunikationskanal werden Steuersignale (zum Beispiel der Befehl zum Abregeln) über das Smart Meter Gateway an die Steuerbox und von dort zum Energiemanager übertragen. Laut Hager werden im Rahmen dieses Projektes erstmals alle steuerbaren Verbrauchseinheiten eines Haushalts über den Energiemanager aggregiert. Für die Besitzer:innen eines E-Autos, einer PV-Anlage und einer Wärmepumpe bedeutet das einen hohen Komfort, da nur so viel gesteuert wird wie nötig. „Den Aspekt der Verteilung, der Netzleittechnik und der Netzführung haben wir selbst in einem internen Projekt am Franzenbrunnen mit den Kolleg:innen der co.met bereits letztes Jahr erprobt und umgesetzt“, resümiert Ackermann. „Nach langen Jahren der Verhandlung wird Paragraph 14a im Januar in Kraft treten. Aus technischer Sicht fühlen wir uns in der Zusammenarbeit mit Hager und co.met gut aufgestellt, die neuen Anforderungen umzusetzen. Es wird eine große Herausforderung in der ganzen Republik sein, die Vorgaben dann an jedem Ort, jeder Straße, bei jedem Kunden zu realisieren.“ (bs)

www.hagergroup.com 

www.co-met.info 

www.saarbruecker-stadtwerke.de