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Stromtarife: Einfach dynamisch

17.04.2023 – Spätestens ab 2025 müssen Stromlieferanten in Deutschland dynamische Stromtarife für Endkund:innen anbieten. Exnaton, bekannt für innovative Abrechnungslösungen rund um Energy Sharing, erweitert nun seine SaaS-Plattform um eine White-Label-Lösung, mit der das einfach möglich sein soll.

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Foto: Exnaton AG

Strompreise in Abhängigkeit von Angebot und Nachfrage zu gestalten, ist keine neue Idee: Schon in den 1980er und 1990er Jahren sollten günstigere Nachtstromtarife den Anreiz bieten, Strom dann zu verbrauchen, wenn er im Überfluss vorhanden war. Damals kam der Strom vor allem aus den vielen neuen Kernkraftwerken, die in Europa ans Netz gingen. Da sich deren Erzeugungsprozesse allerdings nicht ohne weiteres an die Nachfragezyklen der Industrie anpassen lassen, entstand damals ein Überangebot während der Nacht mit entsprechend niedrigen Beschaffungspreisen. Im Zuge der Energiewende wird das Stromangebot – und damit der Börsenpreis – vermutlich noch wesentlich stärker variieren. Diese Schwankungen über dynamische Tarife an die Verbraucher:innen weiterzugeben, könnte somit helfen, Ungleichgewichte zwischen hoher Einspeisung und geringer Nachfrage zumindest abzumildern.

Zeitvariable Tarife: Nutzen für alle

Für Kund:innen bieten solche zeitvariablen Tarife tatsächlich erhebliche Einsparmöglichkeiten, denn außerhalb von Spitzenzeiten liegen die Börsenpreise in der Regel unterhalb der Festpreise der Standardtarife, in Einzelfällen sogar im negativen Bereich. Indem Haushalte und Gewerbebetriebe selbst entscheiden können, wann und zu welchem Preis sie Strom verbrauchen, erhalten sie zudem mehr Kontrolle über ihre individuelle Stromrechnung. Damit sinkt gleichzeitig das Beschaffungsrisiko für den Lieferanten. Für Netzbetreiber schließlich sind variable Tarife ein hilfreicher Ansatz, um Netzengpässen vorzubeugen: Wo sich physikalische Stabilitätsprobleme durch den Markt vermeiden lassen, werden teure Ausgleichsmaßnahmen und bisweilen sogar ein Netzausbau verzichtbar.

Das gilt umso mehr, da dynamische Tarife kaum mehr mit den damaligen Tag-/Nachttarifen vergleichbar sind: „Heute können zeitvariable Tarife Stromangebot und -nachfrage anhand der Börsenpreise auf stündlicher Basis oder oft sogar in einem 15-Minuten-Intervall berücksichtigen, wobei die Produktionszyklen erneuerbarer Energien widergespiegelt werden“, erläutert Liliane Ableitner, Mitgründerin und CEO der Exnaton AG aus Zürich. Das mehrfach ausgezeichnete Spin-Off-Unternehmen der ETH Zürich hat gemeinsam mit einem großen Energieversorger eine Abrechnungssoftware entwickelt, welche die Einführung zeitvariabler Tarife bei Stromlieferanten erheblich vereinfachen soll.

Starke Treiber für den Wandel

In den skandinavischen Ländern wurden flexible Tarife schon vor einiger Zeit eingeführt und bewähren sich. Hierzulande hielt man lange Zeit am Fixpreismodell fest, doch inzwischen beschäftigen sich auch die hiesigen Versorger intensiv mit dem Konzept.

Das ist zum einen der Tatsache geschuldet, dass Lieferanten inzwischen verpflichtet sind, entsprechende Tarifangebote für Kund:innen mit intelligentem Messsystem bereitzustellen – große Versorger mit über 200.000 Verträgen bereits seit dem vergangenen Jahr, kleinere Unternehmen bis spätestens 2025. „In der Praxis bedeutet das, dass Verbrauchspreise kurzfristig anhand der Spotmarkt- (15-Minuten-Intervall) und Day-Ahead-Preise (Stundenintervall) der Europäischen Strombörse (EPEX) festgelegt und abgerechnet werden müssen“, fasst Liliane Ableitner zusammen.

Als zweiter Treiber wirkt sicherlich die nun absehbare Beschleunigung des Smart Meter-Rollouts. Ende 2022 wurden klare Vorgaben und Erleichterungen beschlossen, gleichzeitig lässt die Entspannung in den Lieferketten hoffen, dass die intelligenten Messsysteme nun deutlich zügiger in die Fläche kommen werden. Nicht zuletzt drängt der Markt in diese Richtung: Viele Verbraucher:innen wünschen sich schon seit längerem mehr Transparenz und eine aktivere Rolle bei ihrer Energieversorgung. Im Zuge der Energiepreiskrise wird dieser Trend in die Breite getragen – immer mehr Menschen und Gewerbetreibende setzen sich intensiv mit ihren Stromkosten auseinander und suchen nach Einsparmöglichkeiten. Erste Lieferanten, insbesondere die sogenannten Neo-Utilities wie Tibber oder Octopus Energy, reagierten bereits und nahmen zeitvariable Tarife in ihr Produktportfolio auf – teilweise sogar als integralen Bestandteil ihrer Markenidentität. Sie bieten Energieprodukte an, die Preissignale in Echtzeit an ihre Kund:innen senden.

Börsenstrompreise_und_Handelsvolumen_in_Deutschland_2023

Die Börsenstrompreise variieren stark. Bei dynamischen Tarifen können Verbraucher:innen davon unmittelbar profitieren. Grafik: Fraunhofer ISE Energy Charts

Einfache Umsetzung für Lieferanten

Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) § 41a Lastvariable, tageszeitabhängige oder dynamische und sonstige Stromtarife
Stromlieferanten haben, soweit technisch machbar und wirtschaftlich zumutbar, für Letztverbraucher von Elektrizität einen Tarif anzubieten, der einen Anreiz zu Energieeinsparung oder Steuerung des Energieverbrauchs setzt. Tarife im Sinne von Satz 1 sind insbesondere lastvariable oder tageszeitabhängige Tarife…

Liliane Ableitner ist überzeugt, dass zeitvariable Tarifangebote in absehbarer Zeit zum Standard werden. Mit ihrer SaaS-Plattform für die Umsetzung von Energiegemeinschaften oder Energy Sharing gemäß der EU-Richtlinie RED II, die bereits von zahlreichen namhaften EVU genutzt wird, sahen sich die Schweizer bereits bestens aufgestellt für schnelle, preisdifferenzierte Energiehandelsprozesse. Die Lösung für zeitvariable Tarife mit direktem Bezug zu den Börsenpreisen weiterzuentwickeln, erschien daher nur folgerichtig. „Die Software ist nun auch an die europäische Strombörse (EPEX) angeschlossen und importiert EPEX Day-Ahead- oder SPOT-Marktpreise“, erläutert Liliane Ableitner.

Diese Preise werden mit den Zeitreihen des Energiedatenmanagements (EDM) des Lieferanten in Beziehung gesetzt, woraus die KI in der Software die Energiekosten für das jeweilige Zeitfenster automatisch errechnet. „Die Plattform entspricht allen regulatorischen Anforderungen des EnWG § 41a. Sie verarbeitet Energie- und Preisdaten im 15-Minuten-Takt und visualisiert Energiekosten für die Endverbraucher:innen in einem einfach zugänglichem Format“, führt sie aus. Künftig soll die Software zudem in der Lage sein, die Nutzer:innen proaktiv auf Zeitfenster mit günstigen Tarifen hinzuweisen. In einem weiteren Schritt sollen die Preisinformationen automatisiert an steuerbare Verbraucher wie Heizung, Elektrofahrzeug oder andere geeignete Geräte übergeben werden.

Um die Einführung variabler Tarife für die EVU weiter zu vereinfachen, besitzt die Lösung bereits eine vorkonfigurierte Schnittstelle für SAP IS-U, weitere Abrechnungssysteme können ebenfalls angebunden werden. Als White-Label-Lösung integriert sich das Produkt nahtlos in das Erscheinungsbild und die Kundenlösungen des Versorgers.

Erster Schritt zum Flexibilitätsmarkt

Tatsächlich sind die zeitvariablen Tarife wohl nur ein erster Schritt in Richtung eines neuen Flexibilitätsmarkts. Die ersten Entwürfe für das künftige Strommarktdesign enthalten Anreizmodelle, um Angebot und Nachfrage zeitlich und räumlich noch feiner aufeinander abzustimmen – auf Basis von Echtzeitdaten über Einspeisung, Verbrauch und Netzzustand im jeweiligen Netzgebiet. Expert:innen rechnen daher auf mittlere Sicht mit weiteren Flexibilisierungen der Stromtarife in Richtung lastvariabler, regionaler und lokaler Tarife. (pq)

www.exnaton.com